Woche 19/20 Kanada; Expedition Arktis, 4100km bis zum Arktischen Ozean weit über dem Polarkreis.
- Luca Weilenmann
- Aug 29, 2022
- 16 min read
Ich würde es schon fast meine Arktische Expedition nennen. Ich startete in Vancouver mit genau einem Ziel im Kopf, den Arktischen Ozean zu erreichen, weit über dem nördlichen Polarkreis. Hinter mir liegt nun nicht nur eine extrem grosse Strecke, auch habe ich die Veränderung der Natur, die länger werdenden Tage und die immer tiefer sinkende Temperatur erleben können. Um mein ersehntes Bad im Arktischen Ozean zu bekommen musste ich erst hunderte Kilometer auf Schotterpisten in extrem abgelegener Wildnis hinter mich bringen. Ich habe somit das Land der Mitternachtssonne und des Stammes der Inuit erleben dürfen und es tatsächlich ohne Panne bis nach Tuktoyaktuk, dem Ende des Dempster Highways geschafft.
Strecke: ca. 4100km (+1400km zurück nach Whitehorse) / Zeitaufwand: 14 Tage

Vancouver - Whistler - Prince George - Dawson Creek - Watson Lake - Dawson - Tuktoyaktuk (Arctic Ocean) - Whitehorse
Ich habe vor ca. 2 Jahren ein Video gesehen, wo jemand mit einem stink normalen Auto bis zum Arktischen Ozean gefahren ist. Mein einziger Gedanke war, «Das mach ich!» und entschied diesen etwas umständlicheren Roadtrip ebenfalls in mein Auslandsjahr einzuplanen. Mehr als das habe ich eigentlich nicht geplant. So kam ich dann zurück von meiner Mittelamerika Reise und machte mich ein wenig schlau über die Möglichkeiten und die Vorbereitungen die man treffen sollte.
Es gibt drei Varianten um in Kanada oder den USA zur Arktis und dem Arktischen Meer zu gelangen. Zum einen mit dem Flugzeug zu irgendeinem Ort, meist einem Inuit Stamm, zu fliegen oder mit einem Schiff oder sogar einer Kreuzfahrt durch die Arktis zu cruisen. Weder noch passt in mein Budgetplan, also gibt es nur noch eine Möglichkeit, mit dem Auto bis ganz in den Norden zu fahren. Auch mit dem Auto hat man nur stark begrenzte Möglichkeiten. In Kanada und den USA gibt es, soviel ich weiss, nur zwei Strassen (befahrbar im Sommer) welche bis zum Arktischen Ozean führen. Zum einen gibt es den Dalton Highway in Alaska und den Dempster Highway in Kanada. Im Winter gibt es möglicherweise mehr Strassen, da man dann über die Tundra eine Eisstrasse bauen kann. Beides sind sehr identische Strassen, was die Länge und den Zustand angeht. Ich entschied mich aber gegen den Dalton Highway, da man selbstständig nicht bis zum Arktischen Ozean gelangen kann und von der Ortschaft Prudhoe Bay, welche wenige Kilometer entfernt, ist eine Tour buchen muss, um das Meer zu sehen. Das Gebiet ist eine militärische Sperrzone und nicht zugänglich für die Öffentlichkeit. Auch ist der Dalton Hwy eine Transportstrecke für Öl und man hat sehr viele Trucks auf der Strecke. Ich entschied mich somit für den Dempster Highway in Kanada in den Provinzen Yukon und Northwest Territories.
Achtung, dieser Blog ist extrem lange… sorry. Bist du nur am atemberaubenden Dempster Highway, welcher mich in den letzten 880km zum Arktischen Meer geführt hat interessiert, dann skip den Rest und klicke hier.
Erstmals von Anfang an, ich war nach zwei Wochen noch immer in Vancouver sitzen geblieben. Geplant war, dass ich etwas weniger als einen Monat für mich selbst im Norden Kanadas und Alaska Zeit habe, bevor mich mein Dad besuchen kommt. Jetzt waren es schlussendlich nur noch zwei Wochen. Da ich sowieso mit meinem Dad nach Alaska gehen werde, habe Alaska ausgelassen und mich auf die Reise zur Arktis fixiert. Tatsächlich habe ich mir in Vancouver etwas Zeit genommen um zu planen. Meine Vorbereitungen / Google-Sucheingaben sahen etwa wie folgt aus: «What to bring with me to Alaska/Arctic?», «What to do if a bear is inside my camper?», «Good Podcasts for a very very long car drive». Ziemlich genau so habe ich auch das Thema zu einem Ersatzrad gegoogelt: «Do I need a spare tire in Alaska?», «How much is a full size spare tire?», «Where to buy a cheap spare tire in Vanvouver?», «What if I have a flat tire out in nowhere in Alaska and I have no spare tire?», «How to survive in Alaska without a car?». Meine Reserven habe ich ebenfalls noch etwas aufgestockt. Ich stattete mich mit einem Benzinkanister, viel Trinkwasser und noch mehr Dosenfutter und Gas für meinen Kocher aus. Man weiss nie was und wo etwas passieren kann. Ich bin durch sehr abgelegene Ortschaften gefahren und hatte so nie Handy-Empfang oder teilweise stundenlang keine einzige andere Person gesehen. Lieber etwas zu viel dabeihaben als etwas zu wenig.
Die Route habe ich anhand von zwei YouTube Videos zusammengestellt und schlussendlich in Google Maps eingegeben. Die Route bestand aus 4100km und 45h konstantem Autofahren. Mir wurde klar, dass dies nicht nur ein kleiner Ausflug ans Mittelmeer ist. Zwischenstopps und Übernachtungsorte habe ich nicht geplant, da ich jeden Tag nach Lust und Laune fahren wollte.
Planung
Kleine Facts meiner Route:
Strecke: 4100km bis Arktischer Ozean + 1400km zurück nach Whitehorse
Zeit: 45h (schlussendlich 50h + 17h zurück nach Whitehorse)
Benzinverbrauch: Durchschnittlich 10l/100km
Benzinpreis: Durchschnittlich 2.00CAD/l
Benzinausgaben total: 990Fr.
Prozentanteil Gravelroad: 41%
Provinzen: British Columbia, Yukon, Nothwest Territories
Highway 99/97 ; Vancouver – Whistler – Prince George – Dawson Creek
Strecke: 1155km, Zeitaufwand: 13h / 2 Tage, Strassenart: geteert, Ortschaften: Duzende
Nun ging meine lange Fahrt and einem ruhigen Montagmorgen endlich los. Ich fuhr via Whistler, dem Top Bergsportgebiet Kanadas. Ich wählte die etwas längere Strecke, bekam dafür aber eine schönere Fahrt durch die Bergen. Am ersten Tag habe ich direkt meine längste Fahrt bis jetzt hinter mich gelegt und bin bis nach Prince George gefahren. Anfangs sah ich noch in der Umgebung von Whistler eine sehr schöne Berglandschaft mit vielen Seen bis es dann später eine sehr trockene Hügellandschaft wurde (Gebiet um Kamloops, wo es im Sommer zu Rekordhitzetagen kommt). Darauf folgte schnell komplettes Flachland und schnurgerade Strassen welche weit über den Horizont hinausführen. Eine komplette Einöde mit so ziemlich nur Wald auf der Strassenseite zu sehen. Ich sah viele Farmen, welche offensichtlich ein Viehbetrieb waren, jedoch sah ich nie nur ein einziges Tier rund um den Hof. Als mir dann aus dem nichts aus einem Wald ein «Wildtier» auf den Highway lief, bemerkte ich, dass sich überall in den Wäldern die Kühe verstecken und dort am Grasen sind. Viele Ortschaften gab es nicht, dennoch relativ viele im Vergleich zu später weiter nördlich. Für meine Mittagspausen gab es viele Rastplätze oder Campingplätze entlang des Highways verteilt, welche meist sehr schön an einem See lagen.
Fahrt vor Prince George
Die Ortschaften Prince George oder Dawson Creek sind zwar die grössten Ortschaften, jedoch meiner Meinung nach überhaupt nicht sehenswert. Es ist eher eine sehr traurige Stimmung, denn der Drogen- und Alkoholkonsum ist stark bemerkbar. Bekannterweise gibt es viel Obdachlosigkeit in Amerika und Kanada und wenn nun mal im Umkreis von hunderten Kilometern keine andere Stadt ist, so kommen alle die nichts haben in diese Stadt und versuchen hier zu leben und fallen so vielmals in die Drogensucht.
In Dawson Creek war dann die erste Sehenswürdigkeit, das Alaska Highway Sign. Hier ist der offizielle Start des berühmten Alaska Highways.
Beginn Alaska Hwy
Alaska Hwy; Dawson Creek – Watson Lake
Strecke: 970km, Zeitaufwand: 11h / 2 Tage, Strassenart: geteert, Ortschaften: <10
Anfänglich bot der Alaska Hwy noch dasselbe wie ich es die letzten 500km hatte. Ich fand für Lunch einen wunderschönen Fleck an einem kleinen See mitten im Wald. Danach folgte noch die letzte grössere Ortschaft in British Columbia, Fort Nelson. Ich habe mein Tank nochmals aufgefüllt und war bereit für die nächsten hunderte Kilometer ohne Zivilisation.
Der erste Teil des Alaska Hwy
Schnell fing es an in die Höhe zu gehen und der Alaska Hwy hat mich schon zum ersten Mal ins Staunen versetzt. Ich durchfuhr den Stone Mountain PP und sah nebst der unglaublich schönen Berglandschaft viele Wildtiere. Ich sah zwei Hirschen mit ihren prächtigen Geweihen und ganz viele Bergziegen am Strassenrand verteilt. Auch kam ich an vielen Bergseen vorbei, der schönste war der Muncho Lake, am höchsten Punkt des Passes. Das Panorama konnte ich aber nicht kontinuierlich geniessen, denn der Zustand der Strasse war ziemlich schlecht und ein Auge musste immer auf die vielen Löcher in der Strasse achten. Noch nie habe ich so viele verschiedene Warnschilder für allerlei Tiere gesehen.
Tiere rund um Stone Mountain PP
Wieder zurück unter der Baumgrenze habe ich am Strassenrand eine eindrückliche Herde Bisons gesehen. Eine Gruppe von bestimmt 50 massiven Bisons sind neben und auf der Strasse umhergegangen.
Bison-Herde
Kurz darauf folgten die Liard River Hot Springs. Leider war der anliegende Campground schon komplett ausgebucht, jedoch lohnte sich auch nur das Bad im angenehmen warmen natürlichen Pool nach einer langen Fahrt sehr. Die Sumpflandschaft rund um die Hot Springs war bei Sonnenuntergang und den Nebelfeldern sehr schön. Auch kann man hier Elche sehen, wozu ich aber kein Glück hatte.
Liard River Hot Springs
Da ich auf dem Camping keinen Platz mehr bekam, campierte ich etwas weiter nördlich an einem schönen Plätzchen neben einem Fluss. War schon ein wenig unheimlich, um in der Dunkelheit fürs Zähneputzen nochmals aus dem Van zu gehen. Denn man befindet sich nirgends anders als wo die Bärenpopulation grösser ist als die der Menschen.
Kurz vor Watson Lake passierte ich die Grenze von BC zu Yukon.
Watson Lake war nicht wirklich eine Ortschaft, mehr einfach ein Ort der aus Tankstellen und einem Visitor Center besteht. Eine Sehenswürdigkeit gab es jedoch, ein sogenannter Sign Forest. Ein kleiner Wald der voll mit allerlei Schildern ist. Erstaunt war ich, wie viele Schweizer Schilder zu finden waren. Ich fand ein Schild von Humlikon, Gossau, St. Gallen, Winterthur und Einsiedeln.
Yukon Grenze und der Sign Forest
Robert Campbell Hwy / Klondike Hwy; Watson Lake - Dawson
Strecke: 940km, Zeitaufwand: 11h / 3 Tage, Strassenart: 50% geteert / 50% ungeteert, Ortschaften: 5
Ich holte mir im Visitor Center in Watson Lake einige Informationen, unter anderem der aktuelle Zustand des Campbell Hwy. Denn ab Watson Lake entschied ich mich für eine etwas andere Route. Normalerweise nimmt man den Weg über Whitehorse und begibt sich dann in Richtung Dawson, denn dann ist alles ein gut unterhaltener Highway. Da ich aber diese Strecke später mit meinem Vater machen werde, nahm ich den Abzweiger auf den 500km langen, ungeteerten Campbell Hwy. Dieser Highway führt so ziemlich durch das Nichts. Das Einzige das es auf diesem Weg gibt, sind zwei Ortschaften und drei Campingplätze. Somit natürlich kein Handy-Empfang oder sonst jemand der einem helfen könnte.
Campbell Highway
Ich begab mich auf eine Gravelroad, welche über 500km lang ist. Es wäre kaum vorstellbar, wenn ich von mir Zuhause bis nach Paris auf nur Schotterpiste fahren müsste, hier jedoch sind solche Distanzen auf solchen Strassen ganz normal. Und zusätzlich lagen innerhalb diesen 500km gerademal zwei Ortschaften. Doch jetzt nach zwei Wochen im Yukon, kann ich sagen, dass dieser Campbell Hwy nur ein kleiner Vorgeschmack für das was mich später erwartete war.
Der Strassenzustand war erstaunlich gut. Obwohl es eine Schotterstrasse ist, war es dennoch möglich meist mit Tempo 70 ohne Probleme darauf zu fahren. Man musste nur immer wachsam sein, denn es gab einige Orte wo es Schlaglöcher gab oder die Strasse wegen Regen ausgespült wurde.
Ich kam vorbei an Bergen, Seen, Flüssen und hatte immer Blick auf unberührte Natur. Immer mit Ausschau nach Tieren, habe ich leider nichts Spektakuläres auf dieser doch sehr ruhigen Strasse gesehen. Mit ruhig, meine ich wirklich sehr ruhig. Denn auf der gesamten Strecke sind mir ca. 4 Autos entgegengekommen. Es blieb bei einem Bieber und ein paar Hasen.
Natur pur
Das Highlight war der Simpson Lake Campground. Genau so stellte ich mir immer das Vanlife in Kanada vor, ein Plätzchen mitten im Wald direkt am See. Ich musste nur meinen Kofferraum öffnen und ich hatte ein wunderschöner Blick auf den See. So genoss ich den Sonnenuntergang über dem See mit einem wärmenden Lagerfeuer (auch um diese tausenden Mücken fernzuhalten). Hier stellte ich auch zum ersten Mal fest, dass der Sonnenuntergang deutlich später ist. In Vancouver war der Sonnenuntergang um etwa 9 Uhr, hier war es schon 10:30 Uhr.
Simpson Lake Campground
Ich stoppte auf dem Campbell Hwy sehr viel und machte auch eine lange Pause in der Ortschaft Faro, wo es tatsächlich etwas Leben gab. Ich machte eine kleine Wanderung zu einem Wasserfall (Faro Van Gorder Falls) und besuchte das kleine Visitor Center. Auch sehr lustig waren die Tankstelle und der sehr kleine Supermarkt, der aber alles hatte was ich brauchte. Auch etwas komisch war der Liquor Store, der direkt neben der Schule war und man nur Zugang über den Pausenhof hatte.

Tankstelle in Faro
Auch wenn der Campbell Hwy in fünf Stunden machbar gewesen wäre, habe ich trotzdem den ganzen Tag dafür gebraucht. So bin ich ziemlich spät im Campground Nunatuk am Frenchman Lake angekommen. Dafür musste ich aber zuerst für etwa 1h auf einem Waldweg, wie wir es kennen in der Schweiz, fahren.
Dieser Waldweg hiess Frenchman Road und ich setzte am Tag danach meine Fahrt noch um weitere 50km darauf fort. Dies war definitiv nicht die schnellere und bessere Route, aber ich wollte nicht denselben Weg wieder zurückfahren. Aber auch so bin ich auf dem Klondike Hwy angekommen, welche innert wenigen Stunden nach Dawson geführt hat. Ich erwähne, wieder auf geteerter Strasse! Ruhig, keine Schlaglöcher und man kommt schnell vorwärts.
In Dawson verbrachte ich nur wenige Stunden um mich für den nächsten Highway vorzubereiten.
Dempster Hwy; Dawson - Tuktoyaktuk (Arctic Ocean) - Dawson
Strecke: 1760km, Zeitaufwand: 26h / 7 Tage, Strassenart: ungeteert, Ortschaften: 3
In Dawson füllte ich wie bis jetzt jeden Tag wieder meinen Tank, stellte sicher, dass meine Pneus in einem guten Zustand sind und kaufte noch etwas mehr Lebensmittel. Ich informierte mich wiederum im Visitor Center über den Zustand und die Voraussichten des Dempster Hwy. Der Dempster Hwy ist ganzjährlich befahrbar, einzige Hindernisse sind eigentlich nur zwei Flüsse die überquert werden müssen. Im Sommer gibt es Fähren, welche in der Regel immer in Betrieb sind, und im Winter führt die Strasse ganz einfach über den zugefrorenen Fluss. In der Zwischensaison gibt es jedoch weder noch, da es zwar gefroren ist, aber die Eistrasse nicht stabil genug ist. Deshalb und wegen sonstigen Wetterabhängigen Bedingungen, ging ich ins Visitor Center um mich zu informieren.
Dawson hat mir nur schon ab der ersten Sekunde gefallen und ich freue mich jetzt schon, dann mit meinem Vater hier etwas mehr Zeit zu verbringen. Als ich das erste Mal hier war, war gerade Discovery Day, ein Tag im August, wo vor vielen Jahren das erste Gold Nugget gefunden wurde. Mehr über Dawson somit im nächsten Blog.
Mich erwarteten auf dem letzten Highway, dem Dempster Hwy, ganze 880km um nur zum Arktischen Ozean zu gelangen. Ich verbrachte ganze 7 Tage auf dieser Strecke um zum nördlichsten Punkt zu gelangen und danach wieder denselben Weg zurückzufahren. Es waren nicht nur die schlappen 880km die ich auf schlecht unterhaltenen Gravelroad bewältigen musste, ich musste auch die genau gleiche Strecke wieder zurück und kam somit auf lange, sehr zeitintensive und mit der Zeit sehr nervenraubende 1760km auf konstanter Schotterpiste. Die Fahrten waren jedoch sehr eindrücklich und ich bekam wundervolle Einblicke in die unberührte Natur um den nördlichen Polarkreis und habe von Berglandschaft bis Wildtieren vieles gesehen. Unterwegs gab es gerademal drei Ortschaften, welche jedoch sehr lebhaft sind und die Einwohner, der Stamm der Inuit, sehr offen sind um uns Einblicke in deren Kultur zu geben.
So ging es dann genau eine Woche nachdem ich in Vancouver losgefahren bin, wieder früh am Montagmorgen los. Die Distanzen zwischen den Ortschaften waren bis jetzt schon sehr gross, doch die Distanzen zwischen den gerademal 3 Ortschaften auf dem Dempster Hwy sind noch umso grösser. Davor hatte ich wirklich etwas Respekt, denn wenn etwas passiert, dann muss man sich selbst helfen zu wissen, denn bis da Hilfe kommt, können Stunden vergehen. Auf das weisen auch etliche Schilder am Anfang der Strasse hin. Dennoch freute ich mich auf hunderte Kilometer in extremer Wildnis, keinen Ampeln, kein Stau und kein Stress.
Start des Dempster Highways 40km vor Dawson
Ich habe mich anhand dieser Broschüre für den ganzen Dempster Hwy informiert, wo man auch detailliert km für km alles nachlesen kann. Quelle: yukon.ca
Kaum die ersten Kilometer auf der Gravelroad hinter mir, machte es das erste Mal «Bling». Es war eine Hinweisung auf einen Ölwechsel. Jedoch kein Grund umzukehren, denn das kann man auch noch nach ein paar tausend Kilometer machen.
Nach den ersten hundert Kilometer hatte ich mich dann etwas an die lauten und stark vibrierenden Strassenbedingungen gewöhnt und es folgte der Tombstone Territorial Park. Anfangs fuhr man noch mitten in den gefühlt unendlichen Wäldern und mit der steigenden Höhe fuhr man über den North Fork Pass, wo man bis zu einer Höhe von 1289 Meter über Meer gelang. Es ist zwar nicht extrem hoch, jedoch war die Flora aufgrund der extremen Kälte im Winter für mich noch unbekannt und habe zuvor noch nie solche Landschaften gesehen. Noch nie sah ich solch unberührte Berg- und Tallandschaften, auf welche man auf der Fahrt ein prächtiges Panorama erhielt.
Tombstone TP
Dieser Pass war auch gleichzeitig eine Wasserscheide, davor floss das Wasser noch in das Beringmeer und ab dort begleitete mich das Wasser dann bis zum Arktischen Meer oder auch Beaufortsee genannt. Ebenfalls wurden die Landschaftsformen vor tausenden von Jahren, in der Eiszeit, deutlich sichtbar rund geschliffen. Zu dieser Zeit lebten hier noch Mammuts, wobei es heute im Sommer vor allem das Land der Grizzly Bären und im Winter das der Polarbären und Caribous ist.
Es folgten viele kleine Bäche und Seen in mitten der Bergen, bis dann der Tombstone Territorial Park zu Ende war. Kurz vor meiner ersten Unterkunft kam der 7-Mile Hill, wie es der Namen sagt, ein 7 Meilen langer Hügel wo man direkt auf dem Grat bis nach Eagle Plains fährt. Einmal mehr bekommt man einen Blick auf die Wälder, welche die gesamte Landschaft bis zum Horizont bedecken. Hier jedoch war vor einigen Jahren ein sehr grosser Waldbrand, der über grosse Flächen seine Spuren hinterliess.

Unendliche Wälder auf den Strassenseiten
In Eagle Plains füllte ich mein Tank wieder auf (Preis: 1.84Fr./l, Vergleich Vancouver: 1.35Fr.l) und bezog mein Campingplatz. Ausserdem gibt es nebst der sehr einfachen Tankstelle, ein Hotel mit einem Restaurant. Das ist alles, es gibt nicht mehr oder weniger in dieser Ortschaft, von welcher ich erst dachte, etwas Zivilisation anzutreffen. Was ich hier ebenfalls noch nicht wusste, dass dies mein letzter Abend war, den ich noch ohne frieren geniessen konnte und es auch der letzte Ort mit einer Dusche war. So kochte ich mit Sonnenschein wie immer mein Abendessen.
Eagle Plains
In Eagle Plains lernte ich noch eine Kiwi kennen, die schon bis hier getrampt war. Ich nahm sie dann für einen Tag mit und erfuhr von ihr einige gute Geschichten, wie sie schon durch ganz Kanada mit Autostopp gekommen ist.
Kurz vor halber Strecke, bei Kilometer 410 kam dann das erste ersehnte Highlight, den Übergang in die Arktis. Die Grenze der Arktis ist der nördliche Polarkreis mit den Koordinaten 66°33’ North. Hier geht die Sonne am längsten Tag im Jahr, dem 21. Juni, nie unter. Deshalb heisst das Land, oberhalb des Polarkreises, Land der Mitternachtssonne.
Arctic Circle
Die Landschaft ab hier war für mich sehr eindrücklich und unbekannt. Zwischen den rund geschliffenen kargen Bergen gab es nur Tundra. Der Untergrund ist durchgehend gefroren, nur die obersten 50cm tauen im Sommer auf. Dies nennt man Permafrost. Die Tundra besteht nur aus Moos und Beerensträucher. Es war die perfekte Zeit für Blaubeeren und man konnte am Strassenrand haufenweise pflücken. Nicht nur ich mag Beeren, auch Grizzly Bären ernähren sich neben Fisch vor allem von Beeren. So sahen wir in der endlosen Weiten der Tundra, weit weg von der Strasse, drei Grizzly Bären die gerade ebenfalls Beeren assen.
Schwer zu erkennen, die Grizzlies auf dem Bild rechts
Es folgte dann bald auch die Grenze zur Provinz Northwest Territories und somit auch eine Stunde Zeitverschiebung.

NWT
Spannend war auch, dass viele Brücken auf dem Permafrost gebaut wurden. Das heisst, dass man tief in die Permafrost Schichten Verankerungen gemacht hatte und dann darauf die Brücke aufgebaut hat.
Nach vielen Kilometer kamen dann die beiden Fähren. Man muss den Peel River und den McKenzie River überqueren. Der McKenzie River ist mit 4200km der längste Fluss Kanadas (Im Vergleich, der Rhein ist 1200km lang). Zwischen den beiden Fähren liegt die erste tatsächliche Ortschaft und noch weitere 50km Strasse. Die Fähre kommt sobald man am Ufer des Flusses ankommt und fährt dann auch unmittelbar auf das andere Flussufer. Da es ein reissender Fluss ist und es hier keine geteerten Strassen sind, muss erst ein Bagger das Ufer wieder zurecht schaufeln, damit man mit dem Auto nicht im Fluss versinkt und auf die Fähre fahren kann. Die beiden Fähren sind sogar gratis. In der Ortschaft Fort McPherson, zwischen den beiden Fähren, habe ich wieder aufgetankt.
Die beiden Flussüberquerungen
Ab hier folgte dann nur noch topfebenes Land mit vielen Seen verteilt. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie viele Mücken es somit hier gab. Kaum aus dem Auto ausgestiegen, wurde man aufgefressen. Im Höhenprofil sieht man gut, dass nach der ersten Fähre (Peel River) nur noch Flachland folgt.

Höhenprofil

Wunderschön am See mitten im Nirgendwo
Es folgte die Stadt Inuvik, welche alles was man brauchte benötigte, aber sonst nicht wirklich schön war. Auch der Camping, wo ich übernachtete, war nicht wirklich schön. Etwas bedenklich fand ich den extrem bemerkbaren Alkoholkonsum. Nicht selten kommt einem jemand entgegen der in Schlangenlinie läuft oder schon fast im Strassengraben lag.
Inuvik und der Supermarket der ALLES verkauft
Lange war Inuvik die nördlichste Ortschaft die man mit dem Auto erreichen kann, doch vor ca. 4 Jahren wurde ein Highway bis nach Tuktoyaktuk, anliegend am Arktischen Ozean, gebaut. Der letzte Teil der Strecke um nach Tuktoyaktuk bestand wiederum aus Tundra sehr vielen Seen oder eher Tümpel. Einige kleinere Tannen sah man noch bis ca. 100km vor dem nördlichsten Punkt, danach nur noch eine sehr öde Landschaft.
Sehr karges Land im nördlichsten Teil
Dann nach genau 880km stand das Arctic Ocean Sign und der dahinter liegende Ozean tatsächlich vor mir. Schon verrückt, dass ich wegen dem hier her gefahren bin. Aber mir ging es nicht um etwas äusserst schönes, mehr ums Abenteuer und das doch noch unbekannte Reiseziel was nicht viele besuchen.

Arctic Ocean
Es war kalt, regnerisch und sehr windig, doch ich wollte dennoch die Arktis nicht verlassen ohne einmal im Arktischen Meer gebadet zu haben. So heizte ich mein Van voll auf, bereitete mich mental vor und ging komplett im Meer baden. Es war gar nicht mal so schlimm. Da die Woche zuvor ziemlich sonnig war, wurde das Wasser in der Bucht wahrscheinlich etwas aufgewärmt und hatte schätzungsweise etwas weniger als 10 Grad.

Kleine Erfrischung
Ansonsten gibt es in dieser kleinen Ortschaft Tuktoyaktuk doch einige Dinge zu sehen. Dazu zählt ein kleines Visitor Center, wo sie gerne mit einem über das Leben in der Arktis reden, ein Supermarket und ein kleines Restaurant. Das Restaurant heisst Grandmas Kitchen und bietet viel gutes Essen wie man es kennt, jedoch gibt es etwas das es nur in der Arktis zu Essen gibt. Auf dem Menü gibt es unter anderem Muktuks. Muktuks sind nichts anderes als kleine Häppchen Walfleisch, genauer gesagt nur Walspeck und die Haut. Obwohl der Konsum von Walfleisch ziemlich umstritten ist, habe ich es probiert und war sehr überrascht, wie gut es mir geschmeckt hat. Es war sehr fettig, hatte aber einen nussigen und etwas fischigen Geschmack.
Tuktoyaktuk
Nun, wieso ist es hier erlaubt Wale zu jagen und zu konsumieren? In der Arktis gibt es nicht viele Menschen die hier leben. Doch es gibt wenige sehr kleine Völker, die sogenannten Inuit, die verteilt in den nördlichen Regionen Kanadas, Alaskas und Grönlands wohnen. Das Dorf Tuktoyaktuk gehört ebenfalls einem Inuit Stamm an. Da der Winter hier sehr lange (7 Monate) ist und extreme Temperaturen (bis -60°C) im Minusbereich mit sich bringt, sind sie auf überaus nährstoffreiches Essen angewiesen. Es wächst hier definitiv kein Gemüse oder Getreide. Da aber Walfleisch extrem Protein- und Omega-3 Fettreich ist, werden Wale, wie der Belugawal, gejagt. Ich weiss nicht, ob dies heute noch nötig wäre, dies gehört jedoch der Kultur der noch wenig verbleibenden Inuit an. So sagt es auch die internationale Walfangkommission, dass der Walfang für bestimmte Ureinwohner für den Eigenbedarf erlaubt ist.
Grandmas Kitchen
Übernachtet habe ich unmittelbar am nördlichsten Punkt, dort wo der Dempster Highway zu Ende ist. Ich war wenige Schritte vom Meer entfernt. Obwohl es ziemlich kalt war, war es ein super Erlebnis. Auch der Hintergedanke, dass man gerade in einer Region mit vielen Eisbären übernachtet, war ziemlich angsteinflössend. Die Tage sind hier extrem lange. Ich war zwar im August hier und der längste Tag des Jahres war schon vorbei, dennoch ging die Sonne erst nach Mitternacht unter. In der Nacht wurde es nicht wirklich dunkel, es war mehr durchgehend am Dämmern. Während der ganzen Fahrt bis hier in den Norden habe ich mir in den Nächten immer wieder ein Wecker gestellt, mit der Hoffnung die Nordlichter zu sehen. Anscheinend ist die Chance die Nordlichter so früh im Jahr zu sehen schon vorhanden, jedoch ziemlich klein. Leider hatte ich kein Glück.
Übernachten nahezu ganz im Norden
Nordlichter Prognosen und ein Bild meines Schlafplatzes nach Mitternacht
Hier war ich also, am nördlichsten Punkt meiner Reise und wohl der nördlichste den ich jemals gewesen sein werde. Nun kamen die genau gleichen 880km auf Schotterstrasse wieder zurück in den Süden. Ich wiederhole es gerne nochmals, die gleichen 880km auf Gravelroad, einer Strasse mit mehr Löcher als es der Schweizer Käse hat.
880km zurück
Die Rückfahrt war dennoch nochmals sehr schön und ich wäre am liebsten noch für einige Wanderungen und etwas mehr Wildtiere im Tombstone TP geblieben, jedoch hat das Wetter nicht wirklich mitgespielt. Als ich dann nach 1760km endlich wieder auf fester Strasse angekommen bin, hat es sich angefühlt wie wenn man auf Butter fahren würde. So leise und ohne Schlaglöcher! So bin ich dann bis nach Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon, zurückgefahren.
Die besten drei Schilder auf dem Dempster
Die nächste Woche werde ich mein Vater in Whitehorse am Flughafen abholen und wir werden zusammen Alaska entdecken. Anfangs führt unsere Fahrt noch etwas der Goldgräber Geschichte im tiefen Yukon entlang, bis wir dann eine grosse Runde in Alaska drehen werden.
Schön hast du vorbeigeschaut! Wenn du also gerne wissen willst, wo es mich in den nächsten Monaten durchführt, schau doch öfters vorbei oder melde dich für den Newsletter ganz unten auf dieser Seite an.
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